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Last SHUTDOWN of IBM /370-138


Mein schönster PC war 1983 bis 1987 eine IBM /370-138. Ich war damals Assistent an der Technischen Universität Berlin, und die Informatiker musterten ihre alte und inzwischen störanfällige /370-138 aus dem Jahre 1971 aus. Zu der gleichen Zeit bekamen wir als Industriespende noch eine weitere /370 und umfangreiche Peripherie, zwei Zeilendrucker und 5 Doppel-Plattenstapel, eine Kernspeichererweiterung von 1MB und Schnittstellenzeugs, sowie - ganz wichtig - die kompletten Serviceunterlagen (ca. 1 Kubikmeter auf Palette). Dieses Material war deutlich jünger, aber aus irgendwelchen Gründen nicht mehr ganz vollständig. Also vergrub ich mich einige Wochen in unser Labor und machte aus den zwei Leichen eine Schönheit. Heraus kam eine wunderbare /370-138 mit Plattenstapeln und Druckern, Terminals und Bandmaschinen, ein kompletter klassischer Großrechner. Gespielt wurde VM/SP mit CP und CMS, programmiert wurde in Assembler.

Die Anlage wurde gestartet mit dem Anwerfen des 15kW-Einankerumformers, der aus den 380V-50Hz Drehstrom 3x110V/400Hz Drehstrom macht, mit dem die CPU arbeitet. Eine geniale Sache, denn die Trafos in der CPU sind trotz der hohen Leistung sehr klein. Und außerdem hat der Umformer so viel rotierende Masse, dass bei einem Stromausfall die Energie noch reicht, um die Warmstartdaten zu retten. Wenn dann der Startknopf der Anlage betätigt wird beginnen einige Dutzend Gebläse zu arbeiten, und die Geräuschkulisse erinnert an das Hochfahren von Düsentriebwerken. Wenn dann nach etwa 10 Sekunden alle Spannungen stimmen und auch die Plattenstapel auf Nenndrehzahl sind, beginnt der IOC, ein kleiner Rechner unter der Operatorkonsole, sein Betriebssystem von einer klappernden 8-Zoll-Floppy zu laden, anschließend lädt er das Mikroprogramm in die CPU. Wenn alles das nach 5 Minuten erledigt ist erscheint die erlösende Meldung "IMPL complete" und die Anlage ist fertig zum Booten. Ein letzter Blick auf die Plattenstapel und die Konsole, und dann wird der "IPL" Knopf (Initial Program Load) an der Konsole gedrückt. Der Boden vibriert, die Plattenstapel knattern, und nach einigen Minuten erscheint das VM-370-Logo und das System ist "r": cp is up and operational!

Das System setzt im Betrieb etwa 18kW in Wärme um. Man hat also entweder eine Klimaanlage oder große Fenster; dass man dann alle 10 Betriebsstunden die Filter reinigen muss gehört zu den völlig normalen Arbeiten an der /370. Im Sommer haben wir mal bei an die 45 Grad einen thermal shutdown erlebt, die Zwangsabschaltung wegen Übertemperatur. Da ging's der Maschine nicht mehr so gut...

So ging das einige Jahre, und wir hatten viel Spaß. z.B. hat der Kollege Martin B., Experte für das CP, die CPU 900 Rechner simulieren lassen, die alle die Zahl PI berechneten (VM ist ein Betriebssystem, das den Usern auf dem Terminal einen Computer (Virtuelle Maschine) simuliert; so hat jeder das Gefühl einen eigenen Rechner zu besitzen. Da die simulierten Rechner lediglich virtuell in der CPU abgebildet werden, hat der Crash eines Rechners keine Auswirkungen auf das Gesamtsystem - VM ist praktisch unkaputtbar). Schließlich ging die Assistentenzeit zuende und die 370 sollte ins Museum für Technik in Berlin (wo sie bis heute im Fundus steht). Um einen geordneten Abbau und später eine reibungslose Wiederinbetriebnahme zu gewährleisten habe ich das System bereinigt und in den Urzustand gesetzt; die Warmstartdaten wurden gesichert und die Maschine planmäßig heruntergefahren: Last Shutdown!




Im Hintergrund der Einankerumformer



Noch schläft sie...



Blick auf die Plattenstapel



Volle Konzentration - Auf geht's!



Der IOC ist fertig, das Mikroprogramm kann geladen werden



Das Mikroprogramm ist geladen, fertig zum Booten von VM/SP CP



Der Boden bebt, die CPU arbeitet



VM/SP is up!



Systemabfrage: Alles OK?



Einloggen MAINT



Kopie des Plattenstapels



SHUTDOWN!



SYSTEM SHUTDOWN COMPLETE. Das war's.